TZI LIVE AUS DER CANIOSACRALEN BIODYNAMIK

Die Gemeinsamkeit ist das Wachstumpotential

Was haben Themenzentrierte Interaktion und Craniosacrale Biodynamik gemeinsam?

 

Auf den ersten Blick – bis auf die beiden langen, kaum aussprechbaren Namen- nichts.

 

Themenzentrierte Interaktion: eine Form des praktisch angewandten Gruppenleitens, das auf ganzheitlichen, wertschätzenden Grundprinzipien aufbaut und das Ruth Cohn auf der Humanistischen Psychologie basierend entwickelt hat. Das Setting: eine oder mehrere Leiterinnen und eine Gruppe von Menschen

 

Craniosacrale Biodynamik: eine aus der Ostheopathie entwickelte, sanfte und gleichzeitig sehr tiefgehende manuelle Körpertherapie, die die Selbstheilungskräfte anregt und tiefsitzende Spannungen und Blockaden lösen kann. Das Setting: eine Klientin und eine Craniopraktikerin.

 

Auf den ersten Blick ist das etwas völlig anderes.

Auf den zweiten Blick gibt’s Verwandtschaft und Berührungspunkte. 

 

Von meiner ersten  Begegnung mit TZI an und während meiner Zertifikats-Ausbildung hatte ich immer wieder ein deutliches Gefühl des Wiedererkennens, der Vertrautheit, des Sich-zu Hause-Fühlens in diesem Ansatz. Sowohl die in TZI- Büchern beschriebene Grundhaltung als auch die persönlichen Erfahrungen während der Kurse weckten in mir immer wieder ein Gefühl von: das kenn ich, da gibt’s etwas Verwandtes, etwas Ähnliches zu meiner Cranio-Arbeit.

 

So unterschiedlich die praktische Ausübung der beiden Systeme ist, und so anders das Setting, die Kommunikationsebene und die Art der Begegnung ist, so sehr ähneln sich beide in ihrer Herangehensweise an Menschen und in ihrer inneren Grundhaltung. Es scheint mir, als bezögen sie sich beide auf einen gemeinsamen Boden, eine gemeinsam Geisteshaltung. Ob Ruth Cohn in ihren Jahren in Amerika jemals mit Vertretern der Craniosacralen  Osteopathie, und damit dem Konzept der  Selbstregulation des Körpers in Kontakt kam, bzw. ob es da einen Austausch gab, kann ich nicht sagen, möglich wäre es.

 

Als die wesentlichste Gemeinsamkeit sehe ich, dass die Ausrichtung beider Methoden auf dem Potential und der Wachstumsfähigkeit der Menschen liegt, und nicht auf dem, was gerade nicht in Ordnung ist/nicht passt.  

Während einer Craniosacral-Sitzung ist der innere Fokus der Behandlerin nicht primär auf die momentane Symptome der Klientin bzw. die Erkrankung  gerichtet. Man weiß um die Beschwerden und berücksichtigt sie, fokussiert jedoch- in einer annehmenden, achtsamen, zugewandten und präsenten inneren Haltung- auf die Gesundheit dieser Person, auf die Selbstheilungs- und Selbstregulationskräfte, und auf die in uns Menschen angelegte Möglichkeit zu Wachstum, Entwicklung und Veränderung. Diese Haltung ist eine der Grundvoraussetzung dafür, dass sich der Körper „von selbst“ in einen Regenerations- und Heilungsprozess begibt.

Dr. Andrew Taylor Still (1828-1917), amerikanischer Arzt und Begründer der Osteopathie (und aller später aus ihr hervorgehenden Disziplinen) entwickelte in seiner medizinischen Praxis einen für seine Zeit höchst untypischen Ansatz: Den sogenannten Salutogenetischen (salus=Gesundheit, genese= Entstehung) Behandlungsansatz im Gegensatz zum damals üblichen rein Pathogenetischen (pathos = Krankheit, Leiden)

Dies bedeutet, dass der Ursprung und die Quelle der Gesundheit in seiner Aufmerksamkeit stand und nicht der Ursprung  der Krankheit. Sein bekanntestes Zitat lautet: „Gesundheit zu finden ist Aufgabe des Arztes. Krankheit kann jeder finden.“ Dieser Grundsatz zieht sich durch alle Osteopathischen und Craniosacralen Ausbildungen und Behandlungen.

 

Genau diese Haltung, auf das Gesunde, die Entfaltungsmöglichkeit und das Potential des Menschen zu fokussieren, sowie einen optimistischen Blick auf mögliches Wachstum zu haben, erkennt man auch in der Humanistischen Psychologie und in weiterer Folge in den,  auf Gruppenprozesse umgemünzten, humanistischen Prinzipien in der TZI.

Einer der Grundsätze der Begründer der Humanistischen Psychologie lautet:

„Humanistische Psychologie will helfen, die positiven Kräfte des Menschen zu entwickeln, die menschliche Würde zu verdeutlichen.“ (Revenstorf, 1983, S. 70.)

Ruth Cohn sagt dazu: „Der Therapeut wendet sich in erster Linie dem Potential des Menschen und erst in zweiter Linie seiner Krankheit zu;…“(Farau und Cohn, 1984, S.278f.)

Im Handbuch Themenzentrierte Interaktion schreibt Peter Vogel über den Optimismus der TZI, somit den Optimismus Ruth Cohns, der jedem Menschen die Fähigkeit zu Reife und Wachstum zutraut: „Menschen sind fähig in guter Begleitung kreative Lösungen für ihre Probleme selbst zu finden, ihr Leben zu verändern und ungeahnte Möglichkeiten aus sich heraus zu entwickeln.  Offensichtlich ist diese Fähigkeit tief in jedem Menschen angelegt.“  (Mina Schneider-Landolf, Jochen Spielmann und Walter Zitterbarth  2014 S.61)

Und das 2. Axiom der TZI beginnt mit dem Satz: „Ehrfurcht gebührt allem Lebendigen und seinem Wachstum…“

Einer der schönen und spannenden Aspekte gelebter TZI-Kultur für mich ist, dass man diese oben genannten Prinzipien in den Kursen ganz real durchspürt...,dass also Wachstum, Entwicklung und positive Veränderungen (sei es im Sinn von Öffnung, Abgrenzung, sich Sichtbarer machen, sich mehr Einbringen, etc.) in diesem Setting ermöglicht, unterstützt und  begrüßt werden. Durch das praktisch angewandte psychologische Hintergrundwissen, dass jedes menschliche Wesen Grundbedürfnisse nach Anerkennung, Zugehörigkeit und Sicherheit hat, und trotzdem seine Individualität und persönliche Eigenart wahren will und kann, werden genau diese Entwicklungsprozesse gefördert.

 

Das bedeutet, auf beide, mir so verwandt scheinende, Methoden übersetzt, dass im richtigen Beziehungsumfeld, im stimmigen Kontakt, Menschen zur Selbstregulation und zu Wachstum fähig sind. Sowohl im gehaltenen Kontakt einer Craniosacral Behandlung als auch in - von humanen Grundwerten getragenen- TZI Gruppen.

 

In diesem Sinne: bei aller Unterschiedlichkeit - auf gute weitere Verwandschaft!

 

Andrea Auer-Hutzinger

Dipl. Craniosacralpraktikerin  und Trainerin an der Wiener Schule für Craniosacrale Biodynamik, in freier Praxis in Wien tätig

 

Aufgrund der  besseren Lesbarkeit und die weil die überwiegende Mehrzahl der Craniopraktikerinnen in Österreich weiblich ist, ist dieser Text in der weiblichen Form verfasst. Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass ich alle Geschlechter gleichermaßen meine und anspreche.