Veronika Avila (Miranda-Kofler) ist Akademische Praxeologin, arbeitet als selbstständige Unternehmensberaterin und Trainerin der Erwachsenenbildung in Salzburg und ist gerade dabei ihr TZI Diplom abzuschließen. Irene Kernthaler-Moser hat mit ihr über die Balance zwischen Theorie und Praxis, die Bescheidenheit der TZI und die Verbindung von Analyse und Konstruktion diskutiert.
Wie bist Du zur TZI gekommen?
Die Verbindung von Theorie und Praxis war schon immer mein Anliegen. Während meines Ethnologiestudiums, wo ich mich auf die Aktionsanthropologie spezialisiert hatte und später auch in meiner Ausbildung zur Praxeologin an der Alpen-Adria Universität Klagenfurt. Dort habe ich Hildegard Enzinger (TZI-Diplomierte und langjährig aktiv im Vorstand des RCI Österreich) kennengelernt, die den Universitätslehrgang Praxeologie, wo es um Praxisforschung ging, initiiert und geleitet hatte. Hildegard hat natürlich mit TZI gearbeitet, Ruth Cohn und die Methode auch einmal vorgestellt und da habe ich Feuer gefangen. Während meines Studiums der Ethnologie habe ich unter anderem die Lebensweise und Lebensphilosophie indigener Gesellschaften kennengelernt und in diesem Bereich meine ersten Ethnologischen Feldforschungen durchgeführt. Die Vorbereitungen darauf waren den Grundsätzen der TZI sehr ähnlich. Die Notwendigkeit zur Selbstreflexion, Rollenklärung, meine erste Kontaktaufnahme mit Menschen, deren Lebensweise die ich nur von Erzählungen und wissenschaftlichen Abhandlungen her kannte. Eine für mich völlig neue Umgebung, anderes Klima, andere Sprache und der Weg über Nähe und Distanz, Zustimmung, Missverständnisse, Bewunderung, Selbst- und Fremdwahrnehmung hin zur gegenseitigen Vertrautheit. Dabei nur als „neutrale“ Beobachterin zu fungieren, die sich ihre Aufzeichnungen macht um später dann am Schreibtisch zu Erkenntnissen zu gelangen, war mir zu wenig und störten meinen Impuls jene Themen aufzunehmen, die an mich herangetragen wurden. Und so folgte ich meinen Impuls, die Themen des „Hier und Jetzt“ aufzugreifen. Solche und ähnliche Erfahrungen habe ich auf meinen Lebensstationen immer wieder gemacht und sie haben mich mit Sicherheit geprägt. Im Anschluss daran haben Praxeologie und TZI dann wunderbar dazu gepasst, sodass angefangen von meinem Lebensentwurf mit all seinen Ecken, Kanten und Umwegen, ein roter Faden erkennbar wurde. Dieser ist mir allerdings erst viel später aufgefallen.
Für welche aktuellen Probleme ist TZI aus deiner Sicht ein wertvolles Angebot?
Wir leben in einer Welt des demographischen Wandels, wo Menschen aus verschiedenen Erdteilen, mit unterschiedlichen Sprachen kulturellen, sozialen und beruflichen Background beruflich und privat zusammenkommen.). Das ist einerseits eine Herausforderung in Hinblick auf ein funktionierendes Zusammenleben. Gleichzeitig bietet sich dadurch noch stärker die Möglichkeit unterschiedliche Ressourcen und Potenziale füreinander zu nutzen, Neues zu kreieren, voneinander und miteinander zu lernen. In Anwendung der TZI habe ich die Möglichkeit auf diese Verschiedenheit einzugehen. Einmal, indem ich explizit mache, was mein Standpunkt ist und was der Deine. Die Unterschiede anschaue, ohne sie zu bewerten oder zu entwerten, das eine nicht über das andere zu stellen, einfach annehmen und schauen, was passiert und was ich/ wir daraus machen kann/können. Und nicht nur Fakten oder Beobachtungen wahrnehmen, sondern auch Gefühle. Es geht um ein Teilhaben an dem was innerlich und äußerlich passiert mit mir und um mich. Und Indem ich das alles wahrnehme, habe ich den ersten Schritt gemacht um es zu bearbeiten. Die TZI gibt uns dafür ein Sprachrohr: selektiv authentisch Widersprüchlichkeiten anzusprechen, Neues zu konstruieren, gemeinsam Lösungen für die Herausforderungen zu finden.
Der Wille ist das eine und das Handeln ist noch einmal etwas anderes. Auch hier kann die TZI unterstützend einwirken. Sie „zwingt“ mich geradezu, zwischen meinem Willen und meinem Handeln zu reflektieren, nicht nur darüber zu sprechen, sondern es auch zu tun. Und dann wieder zu schauen, wie ist das gelaufen und was kann ich weiterentwickeln.
Ich finde, ich muss nicht von vornherein über TZI sprechen, wenn ich danach handle, spüren die Menschen, dass etwas funktioniert, was vielleicht sonst nicht so funktioniert. Das geht nicht immer harmonisch zu. Im Gegenteil TZI ermöglicht Grenzwahrnehmungen und Grenzerweiterungen und bringt dadurch auch die Menschen zusammen. Wenn sich zum Beispiel Menschen unterschiedlicher Weltanschauungen miteinander unterhalten, austauschen und an einem gemeinsamen Thema arbeiten, obwohl sie sonst keine Kontakte miteinander pflegen, dann kommt oftmals auch die Frage nach dem, woher kommt das, wie ist das möglich? Dann bringe ich die TZI ein. Wenn ich gefragt werde, worauf geachtet werden soll, dann erläutere ich das 4-Faktoren Modell in Bezug auf die aktuelle Situation und der Beachtung der dynamischen Balance. Im Übrigen kommen mir immer wieder auch Zitate, Hilfsregeln, und die Axiome aus der TZI über die Lippen, welche die Wertehaltung der TZI verdeutlichen. Da kommt es auf die Situation an (auch ich versuche als Leitung oder Begleitung unter dem Blickwinkel der TZI wahrzunehmen, was und wie viel mein Gegenüber braucht um es in die Praxis umzusetzen). Das kann für eine/einen TeilnehmerIn in einem Verkaufstraining etwas anderes sein als für eine TeilnehmerIn mit Migrationshintergrund im Sprachtraining oder etwa ein/ eine TeilnehmerIn eines Workshops für Öffentlichkeitsarbeit. Manche Leute wenden es an und finden es genial. Die einen wollen nur die Methode und die anderen wollen dann auch wissen, woher das kommt.
Sind alle Methoden so bescheiden wie wir?
Nein, den Eindruck habe ich nicht. Es gibt sicherlich Methoden am Markt die wesentlich präsenter sind als die TZI – manche davon sind für mich so eine Art Mode-Erscheinungen. Andere wiederum lassen sich gut mit TZI kombinieren. Für das, was die TZI den Menschen bietet, zeigt sie sich viel zu wenig am Methodenmarkt. Ich denke, die Öffentlichkeitswirksamkeit war vielleicht auch nie das vorrangige Thema der TZI. Gleichzeitig finde ich, für das Handeln ist es nicht wichtig, mit der TZI-Fahne dazustehen.
Ist es nicht für das Überleben der Methode wichtig?
Das ist eine gute Frage. Ich habe vor kurzem ein altes Radio-Interview mit Ruth Cohn gehört, das anlässlich ihres 100.Geburtstages im WDR ausgestrahlt und von der Fachgruppe Wirtschaft per Mail ausgesandt wurde. Im Bericht heißt es, dass Ruth Cohn viel mit schwierigen Menschen gearbeitet hat, die andere TherapeutInnen gar nicht angenommen haben. Nun, wenn sie nicht Erfolg damit gehabt hätte, wäre die Methode sicherlich nicht nach Europa gekommen. Vielleicht hat die TZI nicht gebührend Aufmerksamkeit bekommen. Ich finde, wenn man TZI in sein alltägliches Handeln integriert, dann wird TZI nicht untergehen, dann ist es etwas Bleibendes. Die Weiterentwicklung der Internationalisierung der TZI, die auch von Janny Wolff-Hollander u.a. vorangetrieben wurde, ist sicherlich ein wichtiger Aspekt und soll weiterverfolgt werden. Dazu gehören auch englischsprachige TZI-Literatur und mehr internationale Kursangebote.
Was mir noch auffällt ist, dass wir an dem festhalten, wie ein Kurs ausschauen muss. Ich frage mich, behalten wir das bei oder verändern wir die Struktur, dass sie eher in die Zeit hineinpasst? Fünf Tage ist fast Luxus für viele, braucht es das oder sehen wir auch wie der Zeitgeist ist und passen wir uns an.
Wir haben mit der Zertifikatsausbildung auf die aktuellen zeitlichen Strukturen reagiert und ich finde wir müssen unterscheiden zwischen einer Fortbildung und einer Ausbildung.
Ja das finde ich eine gute Unterscheidung, denn nicht jeder will eine TZI Ausbildung machen und dann muss das Angebot auch nicht so lang dauern.
Wie sprichst Du über TZI?
Positiv und wahrscheinlich auch begeistert, meine eigenen Erfahrungen einbringend und ich erzähle, dass mir die TZI eine wertvolle Hilfestellung im Umgang mit mir selbst und mit Menschen ist. Es geht mir dabei nicht um Happy-Hour-Geschichten, sondern um arbeits- und entwicklungsfähige Geschichten. Und dann ist natürlich zu sehen, die vier Faktoren alleine sind noch nicht TZI, auch das Wertesystem das dahinter steht ist ein wesentlicher Faktor: die Verbundenheit mit der Welt, die Verantwortung, die Wahrnehmung der Möglichkeiten – das alles ist TZI.
Die Hilfsregeln werden so als Kleinigkeit eingestreut in der Ausbildung. In Wirklichkeit ist es etwas Großes. „Störungen haben Vorrang.“ Es geht nicht nur darum Vorrang zu geben, sondern auch auf die Balance schauen. Das Störungspostulat macht nur Sinn, wenn ich die 4 Faktoren beachte. Ruth Cohn hat hier wirklich ein wunderbar zusammenhängendes und funktionierendes Regelwerk beschrieben. Und in der TZI Community gibt es auch tolle Entwicklungen und positive Kräfte, die das weiter ausbauen und mit Leben erfüllen. Darüber zu sprechen, darüber zu schreiben, es zu lehren, nicht nur innerhalb der TZI Community sondern auch außerhalb, in den Schulen, Universitäten, Berufsausbildungen, dort wo Menschen lernen, es zu verbreiten, das finde ich wichtig in Theorie und Praxis.
Wie denkt Dein berufliches Umfeld über TZI?
In meinem KollegInnenkreis ist die TZI sehr anerkannt. In deren Wahrnehmung ist die TZI verbunden mit mir, in meinem unmittelbaren beruflichen Umfeld habe ich bisher niemanden kennen gelernt, der ebenfalls in TZI ausgebildet ist. Ich kenne einige, die sagen, dass es ein großer zeitlicher Aufwand ist so eine TZI-Ausbildung und nachher hat man ein Diplom. Wenn man einen Master macht, braucht man nicht mehr Zeit und hat dann einen Master, beruflich haben sie dadurch sicherlich mehr Chancen. Viele sehen vielleicht mehr die Außenwirksamkeit einer Ausbildung als die Innenwirksamkeit. Ich denke aber nicht, dass es um den Wert der Ausbildung geht. Viel wichtiger ist, was TZI bewirken kann:
Für mich ist TZI etwas was Konstruktion und Analyse gleichzeitig ermöglicht. Die TZI gibt uns ein Werkzeug in die Hand um gemeinsam Lösungen zu finden und die Probleme der Welt sind derzeit so groß, dass nur noch gemeinsam gefundene Lösungen uns ans Ziel bringen können.